Westdeutsche Zeitung vom 29.9.2003
Sympathie für angezählte Helden
Das Wuppertaler Kinder-und Jugendtheater feierte mit dem Stück „Das Herz eines Boxers" von Lutz Hübner,
Premiere im Rex.
Von Martin Juhre
Sie sind beide angezählt. Leo, der ehemalige Boxer, der in ein anderes Altersheim verlegt wurde, in dem er sich nicht wohlfühlt. Und der Jugendliche Jojo, der ein Mofa geklaut haben soll und auf richterlichen Beschluss hin in Leos Zimmer die Wände streichen muss.
Leo spielt im neuen Heim den Debilen. Jojo macht auf oberlässig. Aber nach und nach entwickelt sich zwischen den beiden eine Freundschaft, und sie kommen aus ihrer Deckung. Im Rex brachte das Wuppertaler Kinder-und Jugendtheater Lutz Hübners „Das Herz eines Boxers" zur Premiere. Regie führten Lars Emrich und Laurentiu Tuturuga. Udo Dülme (Leo) und Adnan Taha (Jojo) bringen das Stück gut über die Runden. Sie gewinnen einem Sympathie für die Figuren ab. Es geht zu Herzen, wenn sie über das Leben sprechen.
Wie man mit Schwierigkeiten fertig werden kann. Was es heißt, zu kämpfen. Und dass Gewalt zu nichts führt. Wenn sie zeigen, dass man sich helfen kann, wenn man Respekt und Achtung voreinander hat.
Gegenseitig bringen sie sich dazu, nicht aufzugeben. Allerdings bleiben ein paar Fragezeichen. Es gibt Widersprüche in der Figur des Jojo, die nicht aufgeklärt werden. Er trägt ein Kapuzensweatshirt mit HipHop-Mofiv, versucht bei Leo ein kompliziertes Handschlagritual, aber was aus seinem Ghettoblaster kommt, klingt stark nach Jazz. Er gehört zu einer Clique, deren Führer vorbestraft ist, aber er redet keinen Slang, sondern gewandte Hochsprache. Und ist Leo eigentlich entmündigt? Er ist geistig topfit. Er hat im alten Heim im Affekt einen unverschämten Pfleger zu Boden geschickt, aber das wäre kein Grund. Wie sonst aber könnte man ihn gegen seinen Willen verlegen und dort festhalten?
Aber das fällt nicht übermäßig ins Gewicht gegenüber der Entwicklung, die da zwischen denn beiden abläuft. Denen Dülme und Taha eine sehr individuelle Lebendigkeit verschaffen. Dabei geben Denken und Fühlen von Leo und Jojo die eigentliche, Handlung ab. Auch wenn Jojo sich endlich traut, einem Mädchen seine Liebe zu gestehen. Und der ehemalige Spanienkämpfer Leo noch einmal aufbricht, in Bilbao nach einem alten Freund zu suchen. Wie Leo, der Boxer, sagt: Du musst in Bewegung bleiben. Sonst hauen sie dich Irgendwann um.
|